Redebeitrag zum Sabot Garden April 2020

Der Sabot Garden und seine illegale kalte Räumung

Stellt dir kurz vor: Ein fremder Typ mit orangener Weste und Hund an der Leine stolziert durch deine Bude und guckt dir zu, wenn du aufm Klo sitzt, wenn du isst oder pennst.
Genauso so ging es den Bewohner*innen des SGs seit Ende Februar bis am 8.4. die letzten Menschen vom Platz verdrängt wurden. Doch beginnen wir nochmal von vorne:

Im Mai 2019 wurde die Brache an der Rummelsburger Bucht durch die Wagengruppe DieselA besetzt. Von Anfang an stand der Wagenplatz für alternative Lebensformen, gegen Gentrifizierung, gegen die Privatisierung der Rummelsburger Bucht und für eine Stadt für Alle mit bezahlbaren Mieten.
Es entstand der „Widerstrand“, ein Outdoor – Freiraum mit Aussicht auf die Rummelsburger Bucht, einem Volleyball Feld und einer aus Brettern zusammengebauter, frei nutzbarer Theke, sowie einer Feuerstelle und anderen Chill-Möglichkeiten. Der Platz entwickelte sich zu einem Wohnort von vielen Menschen mit Gemeinschaftsräumen und sehr diversen Wohngemeinschaften, wie es in Berlin wenig vergleichbare gibt.
Auch die Bäume auf dem Gelände blieben nicht lange unbewohnt: Die Menschen von Ätschibätsch zogen über den Sommer 2019 in ihr Baumhaus auf dem Gelände ein.

Doch von Anfang an sollte mit der Besetzung auch die Privatisierung der Rummelsburger Bucht verhindert werden. Diese Privatisierung haben sich die Immohaie von Investa zum Ziel gesetzt. Ein unnötiges Riesenaquarium, teure Privatwohnungen und ein Luxus Hotel sollen entstehen, wobei doch gerade bezahlbare Mietwohnung, Schulen und Kitas in allen Ecken von Berlin fehlen.
Die Besetzer*innen der Bucht waren der Investa GmbH von Beginn an ein Dorn im Auge. Aufgrund von zunehmendem Druck verließ die Wagengruppe DieselA Anfang September 2019 den Platz. Doch es zogen andere Bewohner*innen ein, sodass auch nach dem befürchteten Räumungstermin am 2.9.19 das einzige besetze Wohnprojekt in Lichtenberg weiterlebte, auch wenn der zuvor öffentlich zugängliche Widerstrand mit Zäunen abgeriegelt und unzugänglich gemacht wurde.

Durch den Wegzug von DieselA wurde der Platz auf SabotGarden umbenannt.
Die Kiezinitiative „Bucht für Alle“ gründete sich und setzte sich für eine alternative Bebauung ein, eine Bebauung in den Interessen des Kiezes und der dort lebenden Menschen, keine „Aufwertung“ im Sinne der Profitinteressen. Trotz 35000 Unterschriften wurden diese Pläne im Abgeordnetenhaus verworfen. Den Bürger*innen Chancen zur Mitgestaltung ihres Kiezes zu geben, unter rotrotgrün: Fehlanzeige.
Ende Februar diesen Jahres fiel der Investa GmbH dann ein, dass wenn ihr geplanter Irrsinn Realität werden soll, müssten ja zuvor noch einige Bäume weg. Damit begangen die Schikanen: über mehrere Tage hinweg, versuchen Bewohner*innen und Supporter*innen durch Protest bis hin zu weiteren Baumbesetzungen die Baumfällungen zu verhindern, am Ende blieb ein tapferer Baum stehen, welcher wie eine Statue des Widerstandes auf dem sonst kahlen Platz thronte. Dieser ist das Zeichen für unseren Erfolg aus diesen Tagen.
Doch wie sollte dieser Erfolg gefeiert werden? Alles, nur keine Razzia der Bullen wäre schön gewesen. Aber wann hatten wir jemals Freude mit den Bullen? Am 27.2. wurden auf dem Sabot Garden ausgiebig geratzt und Personalien von allen Anwesenden aufgenommen.
Leider war es das damit noch nicht, denn anhand dieser Personalien wurde eine Liste der angeblichen Bewohner*innen erstellt, obwohl die 40-50 Menschen, die am Tag der Razzia anwesend waren, zum Teil Freund*innen und Supporter*innen waren, während Bewohner*innen aufgrund der Anwesenheit der Bullen oder einfach ihrem Job oder anderer Termine zu dieser Zeit nicht auf dem Wagenplatz waren.
Doch die sinnlose Liste entstand und wurde direkt von der Investa GmbH an eine Security Firma weitergegeben, die auf den SG zog, ohne im Plenum Hallo zu sagen und den Alltag von da an in die reinste Schikane verwandeln sollte. Besucher*innenverbot, Presseverbot, andauernde Patrouillen, auch Nachts und bald mit Wachhunden und Scheinwerfern machten das Leben der Menschen vom Sabot Garden zur Hölle, wobei einige ja nicht mal mehr auf den Platz gelassen wurden und so durch eine nahezu willkürliche Liste ihren Wohnort verloren.

Der psychische Druck war schon hier enorm doch bald trudelten Briefe der Investa ein, die einen einstweiligen Platzverweis bewirken wollten, anfechtbar mit 20000€ oder Strafzahlungen von 250000€, alternativ 6 Monate Ordnungshaft. Geld, welches nur die Scheiß Kapitalisten übrig haben; im ganzen Androhungen, die die Situation auf dem SG sich weiter zuspitzen ließ.
Außerdem wurden Gemeinschafträume, Küche und Toiletten abgesperrt, letztendlich existierte nur noch ein schmaler Korridor von den Secus zu den letzten verbliebenen Wagen. Am 8.4.2020 verließen die letzten Bewohner*innen den Platz und damit wurde die kalte Räumung beendet.

Eine kalte Räumung also, die den Sabot Garden durch enorme Schikane und hohe Repressionen mit rund um die Uhr Überwachung und weniger als halblegalen Praxen in die Knie gezwungen hat. Und das in Zeiten von Corona! Die Stadt, die in den heutigen Tagen so viel von Solidarität predigt und das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich zu halten, tut nichts gegen die Räumung von 35 Personen aus ihrem gewohnten, sicheren Umfeld, welches momentan wichtiger denn je ist. Zu allem Überfluss ist die Stadt auch nach wie vor offizieller Eigentümer des Geländes, die Investa GmbH hat lediglich eine Vollzugsvollmacht und das auch erst seit dem Tag, an dem die Bewohner*innen nochmal nachgefragt hatten, wer der*die Besitzer*in des Grundstücks ist. Das heißt die Stadt unterstützt in einer Zeit, in der Solidarität wichtiger denn je ist, die Kapitalinteressen weniger und das mit unmenschlichen Methoden.

Die Räumung des SabotGarden konnte nicht verhindert werden, in Zeiten von Corona und geringer Vernetzung unter extremen Stress gab es kaum Protest gegen die vorhersehbare kalte Räumung, ernsthafter Druck auf die Entscheidungsträger*innen fehlte. Was uns nun fehlt, ist das alternative Wohnprojekt, ein kreativer Freiraum, ein interessanter Austausch
beim Spaziergang durch den Kiez, wir vermissen euch!

Doch der SG ist, genau wie alle anderen geräumten Projekte, nicht vergessen. Organisiert euch und zeigt, dass die menschenunwürdige Räumung Folgen haben wird. Wir sorgen zusammen dafür, dass die Investa GmbH noch länger zu spüren bekommt, dass der SG in kreativen Aktionen gegen die Stadt der Profitinteressen der Reichen weiterlebt. Wir kämpfen für eine lebenswerte Stadt für alle!
One struggle, one fight!